Learning To Think In A New Way, Installation 2014
Melissa Holstein, Learning To Think In A New Way, 2014, Installation, Weimar, Kunststoff, Alge, Licht, Text, 180 x 30 x 10 cm/Inkubationsschalen Ø 10 cm

I Learning To Think In A New Way – Potsdamer Manifest 2005

Learning To Think In A New Way, lautet der Titel einer künstlerischen Arbeit von 2014, einem Bewusstsein erforschenden Dialog zwischen den Spezies Alge und Mensch. Dabei handelt es sich um eine interaktive Versuchsanordnung. In mehreren „Inkubatoren“ (mit Algen gefüllte Schalen) gedeihen Algen auf einem Leuchttisch. Ausgangspunkt für diese Installation war für mich der Gedanke, dass Kommunikation zwischen den verschiedenen Lebensformen Alge und Mensch möglich ist.

Learning To Think In A New Way_1.Whats
Melissa Holstein, Learning To Think In A New Way_1_WHAT´S HAPPENING HERE?, 2014, Installation Bauhaus-Universität Weimar (Ausschnitt),  180 x 30 x 10 cm/Inkubationsschalen Ø 10 cm, Alge, Kunststoff, Text, Licht

Während monatelanger Beschäftigung mit dem lebendigen Material der Algen habe ich durchaus einen kommunikativen Austausch mit diesen Pflanzen erlebt. Damit sie gedeihen konnten, musste ich die Algen mehrmals täglich rühren. Und erstaunlicherweise gaben sie mir etwas zurück. Ihre Farbigkeit, ihr Wachstum, kurz, ihre Lebendigkeit haben mich tief berührt. Diese Erfahrung wollte ich mit den Rezipienten meiner Arbeit teilen.

Um Kommunikationsanreize zu setzen, habe ich die Schalen mit kurzen Sätzen versehen, die Bewusstsein thematisieren, sei es menschlicher oder pflanzlicher Natur.

Melissa Holstein, Learning To Think In A New Way_2_REFLECTION OF AFFECTION, 2014, Installation BUW (Ausschnitt), 180 x 30 x 10 cm/Inkubationsschalen Ø 10 cm, Alge, Kunststoff, Text, Licht

Der Titel der Arbeit ist dem Potsdamer Manifest entlehnt. „We have to learn to think in a new way!“(Dürr, Hans-Peter, Dahm, J. Daniel, zur Lippe, Rudolf, 2006: Potsdamer Manifest 2005 »We have to learn to think in a new way« Potsdamer Denkschrift 2005, München), zitieren die zeitgenössischen Verfasser des Manifests ihre Vorgänger, Bertrand Russell und Albert Einstein, die 50 Jahre zuvor, ebenfalls in einem Manifest, gegen Krieg als Mittel der Konfliktlösung aufgerufen hatten (The Russell-Einstein-Manifesto, 1955, S. 2).

Learning To Think In A New Way_3.Percept
Melissa Holstein, Learning To Think In A New Way_3_PERCEPTION WITHOUT CONCEPT, 2014, Installation Bauhaus-Universität Weimar (Ausschnitt), 180 x 30 x 10 cm/Inkubationsschalen Ø 10 cm, Alge, Kunststoff, Text, Licht

Nach derJahrtausendwende konstatiert die Wissenschaftlergruppe um Hans-Peter Dürr (Physiker, Erkenntnistheoretiker und ehemaliger Mitarbeiter Werner Heisenbergs, war unter anderem Träger des Alternativen Nobelpreises und Gründer des Global Challenges Network e. V.) in dem Manifest eine neue Form der Bedrohung in Form einer „Eskalation von struktureller Gewalt, mit politischen und vor allem wirtschaftlichen Komponenten.“ (Potsdamer Manifest 2005 , S. 1) Sie stellen fest: „Geopolitische, soziokulturelle wie ökonomische Machtstrategien, die unbegrenzte Expansion globalisierter Marktwirtschaft und ihrer Produktivitätszwänge bedrohen und zerstören die räumliche und stoffliche Begrenztheit unserer Erde.“ (ebd.) An der Wurzel dieser Hybris sehen sie das „materialistisch-deterministische Weltbild der klassischen Physik“, welches „mit seinen starren Vorstellungen und reduktiven Denkweisen zur vorgeblich wissenschaftlich legitimierten Ideologie für große Bereiche des wissenschaftlichen und politisch- strategischen Denkens“ geworden sei.

Learning To Think In A New Way_4.Wait
Melissa Holstein, Learning To Think In A New Way_4_WAIT A MINUTE, 2014, Installation Bauhaus-Universität Weimar (Ausschnitt), 180 x 30 x 10 cm/Inkubationsschalen Ø 10 cm, Alge, Kunststoff, Text, Licht

Dem gegenüber fordern sie (inzwischen haben mehr als 100 Wissenschaftler das Manifest unterzeichnet) eine neue Denkweise, gespeist aus den Erkenntnissen der modernen Quantenphysik. Darin erscheint die Wirklichkeit als vernetztes Kontinuum, weniger festgelegt und objektivierbar, als vielmehr dynamisch und subjektiv beeinflussbar. Anstelle eines Denkens, das für eine rationale ‚Objektivierbarkeit’ der Wirklichkeit argumentiere (Potsdamer Manifest 2005, S. 3), statt einer Anhäufung solchen „Verfügungswissens“, regen sie die Etablierung von „Orientierungswissen“ an, das auch nicht quantifizierbare Parameter wie Intuition, Einfühlung und Potentialität einschließt. Diese ganzheitlichere Denkweise trennt weniger und legt weniger fest, als dass sie vielmehr gemeinsam im Fluss denkt und ahnt. Folglich betrachtet sie Wirklichkeit nicht als dinglich festgelegt, sondern als Beziehungsgefüge und Potenzialität (etwa für eine „materiell-energetische Realisierung“). Weniger hierarchisch und trennend ist folglich auch die Auffassung von der Ordnung der Spezies und sogar des Unterschieds zwischen belebt und unbelebt. Wiederum inspiriert durch die Erkenntnisse der Quantenphysik, sprechen sie von einer Sphäre des „Prä-lebendigen“, als einem „Wesenszug von Allem, auch der dinglichen – gewöhnlich als ‚tot’ begriffenen – Wirklichkeit.“ Auch Menschen sollen sich als „Faser im Gewebe des Lebens“ betrachten. Die neue Denkweise erachtet Lebendigkeit und Unbelebtheit als verschiedene Ausprägungen des prä-lebendigen Kosmos – statischer oder dynamischer Natur.

Learning To Think In A New Way_3.I GROW BY YOUR ATTENTION,

Melissa Holstein, Learning To Think In A New Way_3_I GROW BY YOUR ATTENTION, 2014, Installation Bauhaus-Universität Weimar (Ausschnitt), 180 x 30 x 10 cm/Inkubationsschalen Ø 10 cm, Alge, Kunststoff, Text, Licht

Diese Ansichten weisen große Schnittmengen mit den Prämissen meiner künstlerischen Arbeit auf, die nach Einschränkung von Expansion trachtet – wirtschafts-ideologisch wie materiell – aus Achtung der begrenzten lebendigen und materiellen Ressourcen. In der Welt meiner künstlerischen Arbeit, und aus dieser Sicht auch in der gesamten Welt, besteht ebenfalls keine grundsätzliche Trennung zwischen Materie und Leben. Da beide in so enger Verbindung stehen, bedeutet das eine zu achten, auch das andere zu fördern. Wo dem Material potentiell Leben innewohnt, erscheint auch die Annahme denkbar, dass Pflanzen intelligente Wesen sind – ebenfalls Fasern im Gewebe des Lebens.

(Textauszug aus Diplomarbeit, Melissa Holstein: „Seeds Of Civilisation“, 2017)

 

Elaboration

Elaborataion 2016 Installation
Melissa Holstein, Elaboration, 2016, Installation Weimar, Mikroalge, Glas, Holz, Kunststoff, Licht, Pumpe

Algen erzeugen nicht nur Sauerstoff, sauberes Wasser, Energie und Nahrung. Sie zählen zu den ältesten Lebensformen auf der Erde. Können wir mit ihnen kommunizieren, von ihnen lernen? Über Essen, Arbeit und Schlaf hinaus, ist Leben Kommunikation.

Elaboration ist Informationsverarbeitung durch Verknüpfung mit Information. Der Prozess wird durch das Unbekannte angeregt. Die experimentelle Elaboration verbindet implizite Information des lebendigen Materials Alge mit expliziten Ausdrücken menschlicher Codes.

Melissa Holstein, Elaboration, 2015, Installation (Ausschnitt)

 

Difference-In-Difference

Difference-In-Difference, Installation, Nagoya 2014
Melissa Holstein, Difference-In-Difference, 2014, Installation Nagoya,  offener Koffer: 45x70x5 cm, Inkubationsschalen: Ø 18 cm, Kunststoff, Licht, Wasser, Algen, (Kanji Schrift-)Zeichen, „Tsuchi“/“Material“ und „Zen“/“Alles“

DIFFERENCE-IN-DIFFERENCE

Belebt Kommunikation Materie?

Ist Kommunikation zwischen verschiedenen Spezies möglich?

Ein Versuch über den Unterschied.

Difference-In-Difference, Installation
Melissa Holstein, Difference-In-Difference, 2014, Installation (Ausschnitt) Nagoya, Mikroalge, Kunst, Licht, Kanji („Tsuchi/Material“), Inkubationsschale: Ø 18 cm
Beitragsseite
Melissa Holstein, Transit – The Japanese Journey, Beitrag im gleichnamigen Katalog, Bauhaus Universitätsverlag, ISBN 978-3-89739-883-2, Weimar 2016

Katalogbeitrag mit künstlerischen Arbeiten die ich  im Rahmen des Projekts „TRANSIT“ an der Nagoya Zokei University of Art and Design und im Rahmenprogramm der Yokohama-Triennale in  Yokohama/Koganecho Bazaar in Japan 2014 entwickelt und präsentiert habe.